News & Urteile
Arbeitsrecht
Das neue Nachweisgesetz seit 01. August 2022 – Dringender Handlungsbedarf?
Im vorliegenden Fall war die Klägerin seit 2016 bei der Beklagten beschäftigt, die Beratungsleistungen in der betrieblichen Gesundheitsförderung anbietet. Zu den Kunden der Klägerin zählen u. a. Pflegeeinrichtungen. Die Beklagte informierte ihre Beschäftigten, dass nur noch vollständig geimpfte oder genesene Personen Kundentermine vor Ort wahrnehmen dürfen. Die Klägerin bestätigte ihrem Teamleiter, sie sei „mittlerweile geimpft“ und „Alles safe“. Nachdem der Zutritt zum Betrieb nur noch mit gültigem 3G-Nachweis zulässig war, legte die Klägerin ihren Impfausweis bei der Personalabteilung vor. Auf Nachfrage konnte die Klägerin keinen QR-Code vorzeigen. Da eine Gültigkeitsprüfung mittels der App CovPassCheck nicht möglich war, veranlasste die Beklagte eine Chargenabfrage, nach der die
Das BAG hat die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bejaht. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme stehe dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Der Betriebsrat hat dabei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung zu tragen.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG
Die Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, ist gem. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Gesetzgeber definiert die „mobile Arbeit“ wie folgt : „Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeitet mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten seiner oder ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt.“ Demnach gilt die Tätigkeit, die bis jetzt unter den Homeoffice-Begriff fiel, als mobile Arbeit i. S. d. § 87 Nr. 14 BetrVG. Dabei begründet die Tatsache, dass eine Arbeitsleistung gelegentlich mobil erbracht wird, nicht bereits das Vorliegen einer mobilen Arbeit. Tätigkeiten, die üblicherweise außerhalb des Betriebs geleistet werden, beispielsweise im Speditions- oder Beförderungsbereich, sowie einzelne Leistungen wie Kundenbesuche werden weiterhin nicht von der Mitbestimmungspflicht erfasst.
Dies bedeutet, dass die Entscheidung, ob Homeoffice im Betrieb eingeführt wird, weiterhin zwar allein vom Arbeitgeber zu treffen ist, die Frage nach der Konkretisierung allerdings mit dem Betriebsrat abgestimmt werden muss. Folglich sind Fragen wie zeitlicher Umfang, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Ort der Tätigkeit, Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte, Regelungen zur Erreichbarkeit, Umgang mit Arbeitsmitteln, Fragen der Kostenlast und einzuhaltende Sicherheitsaspekte mit dem Betriebsrat zu regeln.
Sexuelle Belästigung rechtfertigt fristlose Kündigung nicht (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 23.02.2022, 10 Sa 492/21)
Einem leitenden Arbeitnehmer wurde vorgeworfen, drei Mitarbeiterinnen mehrfach bedrängend angestarrt und sie am Arm, an der Schulter oder am Oberschenkel berührt zu haben. Daraufhin sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche fristlose Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. Der Arbeitnehmer erhob gegen die Kündigung des Arbeitgebers Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Bocholt. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers. Es habe an einer einschlägigen Abmahnung gefehlt. Das Landesarbeitsgericht Hamm wies zwar in einem aktuellen Urteil vom 23.02.2022, Az.: 10 Sa 492/21 den Antrag auf Weiterbeschäftigung zurück, doch entschied, dass die Kündigungen weiterhin unwirksam seien, denn eine sexuelle Belästigung stelle keinen absoluten Kündigungsgrund dar.
Auch bei rechtmäßiger Anordnung eines Corona-Schnelltests können Testverweigerer nicht ohne Abmahnung gekündigt werden (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 23.02.2022, 10 Sa 492/21)
Ein bei einem Sammeltaxi-Unternehmen beschäftigter Fahrer war wegen der Corona-Epidemie bis Ende Mai 2021 in Kurzarbeit. Danach sollte er wieder mit dem Fahrdienst beginnen. Allerdings ordnete sein Arbeitgeber zum Schutz der Fahrgäste und der Belegschaft einen vorherigen Corona-Schnelltest an, zu dem der Fahrer nicht bereit war. Anfang Juni 2021 gab es daher Diskussionen zwischen den Vertretern des Taxi-Unternehmens und dem Fahrer, der mehrere Tage lang nicht fahren durfte und schließlich gekündigt wurde. Die Kündigungsschutzklage des Fahrers hatte vor dem Arbeitsgericht Hamburg Erfolg. Denn der Arbeitgeber berief sich auf verhaltensbedingte Gründe, hatte den Fahrer aber vor Ausspruch der Kündigung nicht abgemahnt.
Sozialrecht
Hohe Hürden für unbefristeten Schwerbehindertenausweis (LSG Thüringen, Urteil vom 25.11.2021, L 5 SB 1259/19)
Der BGH hat in zwei Entscheidungen vom 30. Juli 2020 entschieden, dass bei der Rückabwicklung der Kaufverträge im Rahmen des Dieselskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Kaufpreis von VW nicht verzinst werden muss (Az.: VI ZR 354/19 und VI ZR 397/19). Die Nutzungsvorteile müssen sich die Käufer jedoch anrechnen lassen. Dies führte in einem der beiden Verfahren dazu, dass die Nutzungsvorteile den Schadensersatzanspruch vollständig aufgezehrt haben. Dies begegnete nach Auffassung des BGH jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In vielen Fällen dürfte dies aber dazu führen, dass die Käufer bei Annahme des in der Musterfeststellungsklage von VW angebotenen Vergleichs ein wirtschaftlich besseres Ergebnis als durch die Individualklage erzielt haben.
In einem weiteren Urteil (Az.: VI ZR 5/20) entschied der BGH über die Ansprüche eines Käufers, der einen VW Touran im August 2016 kaufte. Der BGH entschied hier zugunsten von VW. Aufgrund der medialen Dauerpräsenz des Dieselskandals durfte der Käufer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen, dass das Fahrzeug die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben erfüllte. Es sei bereits die Mitteilung von VW vom 22. September 2015 geeignet gewesen, dass Vertrauen der Käufer zu zerstören. Zudem wurde festgestellt, dass durch die Verhaltensänderung von VW keine Sittenwidrigkeit mehr vorlag, so dass es auf die Kenntnis der Käufer letztlich nicht mehr ankomme.