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Arbeitsrecht

Das neue Nachweisgesetz seit 01. August 2022 – Dringender Handlungsbedarf?


Das Nachweisgesetz (NachwG) musste aufgrund der Umsetzung der sog. EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie umstrukturiert werden. Die Änderungen werden erhebliche Auswirkungen auf Arbeitsverträge haben. Das neue Nachweisgesetz ist seit dem 01. August 2022 in Kraft getreten und nunmehr gültig. Ob für Sie ein konkreter Handlungsbedarf besteht, haben wir im folgenden Leitfaden für Sie zusammengefasst. Mehr Infos ...


Gefälschter Impfpass kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen (ArbG Köln, Urteil vom 23.03.2022, 18 Ca 6830/21)
Die Vorlage eines gefälschten Impfpasses kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. 

Im vorliegenden Fall war die Klägerin  seit 2016 bei der Beklagten beschäftigt, die Beratungsleistungen in der betrieblichen Gesundheitsförderung anbietet. Zu den Kunden der Klägerin zählen u. a. Pflegeeinrichtungen. Die Beklagte informierte ihre Beschäftigten, dass nur noch vollständig geimpfte oder genesene Personen Kundentermine vor Ort wahrnehmen dürfen. Die Klägerin bestätigte ihrem Teamleiter, sie sei „mittlerweile geimpft“ und „Alles safe“. Nachdem der Zutritt zum Betrieb nur noch mit gültigem 3G-Nachweis zulässig war, legte die Klägerin ihren Impfausweis bei der Personalabteilung vor. Auf Nachfrage konnte die Klägerin keinen QR-Code vorzeigen. Da eine Gültigkeitsprüfung mittels der App CovPassCheck nicht möglich war, veranlasste die Beklagte eine Chargenabfrage, nach der die


Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bei Betriebsratsschulungen  (BAG, Beschluss vom 17.12.2021, 7 ABR 27/20)
Ein Arbeitgeber muss die Erstschulung eines Betriebsratsmitglieds auch dann bezahlen, wenn der Veranstalter den Teilnehmern für die Ausübung ihrer Aufgaben Arbeitsgesetze, einen Kommentar zum Betriebsverfassungsrecht, ein Tablet und Ähnliches mitgibt.


Das BAG hat die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bejaht. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme stehe dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Der Betriebsrat hat dabei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  ausreichend Rechnung zu tragen.


Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG

Die Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird, ist gem. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Gesetzgeber definiert die „mobile Arbeit“ wie folgt : „Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeitet mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten seiner oder ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt.“ Demnach gilt die Tätigkeit, die bis jetzt unter den Homeoffice-Begriff fiel, als mobile Arbeit i. S. d. § 87 Nr. 14 BetrVG. Dabei begründet die Tatsache, dass eine Arbeitsleistung gelegentlich mobil erbracht wird, nicht bereits das Vorliegen einer mobilen Arbeit. Tätigkeiten, die üblicherweise außerhalb des Betriebs geleistet werden, beispielsweise im Speditions- oder Beförderungsbereich, sowie einzelne Leistungen wie Kundenbesuche werden weiterhin nicht von der Mitbestimmungspflicht erfasst.


Dies bedeutet, dass die Entscheidung, ob Homeoffice im Betrieb eingeführt wird, weiterhin zwar allein vom Arbeitgeber zu treffen ist, die Frage nach der Konkretisierung allerdings mit dem Betriebsrat abgestimmt werden muss. Folglich sind Fragen wie zeitlicher Umfang, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Ort der Tätigkeit, Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte, Regelungen zur Erreichbarkeit, Umgang mit Arbeitsmitteln, Fragen der Kostenlast und einzuhaltende Sicherheitsaspekte mit dem Betriebsrat zu regeln.


Se­xu­el­le Be­läs­ti­gung recht­fer­tigt frist­lo­se Kün­di­gung nicht (Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 23.02.2022, 10 Sa 492/21)

Ei­nem lei­ten­den Ar­beit­neh­mer wur­de vor­ge­wor­fen, drei Mit­ar­bei­te­rin­nen mehr­fach be­drän­gend an­ge­starrt und sie am Arm, an der Schul­ter oder am Ober­schen­kel be­rührt zu ha­ben. Dar­auf­hin sprach der Ar­beit­ge­ber ei­ne au­ßer­or­dent­li­che frist­lo­se Kün­di­gung und hilfs­wei­se ei­ne or­dent­li­che Kün­di­gung aus. Der Ar­beit­neh­mer er­hob gegen die Kündigung des Arbeitgebers Kündigungsschutzklage vor dem Ar­beits­ge­richt Bo­cholt. Das Gericht ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zur vor­läu­fi­gen Wei­ter­be­schäf­ti­gung des Arbeitnehmers. Es ha­be an ei­ner ein­schlä­gi­gen Ab­mah­nung ge­fehlt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm wies zwar in ei­nem ak­tu­el­len Urteil vom 23.02.2022, Az.: 10 Sa 492/21 den An­trag auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung zu­rück, doch ent­schied, dass die Kün­di­gun­gen wei­ter­hin un­wirk­sam sei­en, denn ei­ne se­xu­el­le Be­läs­ti­gung stel­le kei­nen ab­so­lu­ten Kün­di­gungs­grund dar.


Auch bei recht­mä­ßi­ger An­ord­nung ei­nes Co­ro­na-Schnell­tests kön­nen Test­ver­wei­ge­rer nicht oh­ne Ab­mah­nung ge­kün­digt wer­den (Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 23.02.2022, 10 Sa 492/21)

Ein bei ei­nem Sam­mel­ta­xi-Un­ter­neh­men be­schäf­tig­ter Fah­rer war we­gen der Co­ro­na-Epi­de­mie bis En­de Mai 2021 in Kurz­ar­beit. Da­nach soll­te er wie­der mit dem Fahr­dienst be­gin­nen. Al­ler­dings ord­ne­te sein Ar­beit­ge­ber zum Schutz der Fahr­gäs­te und der Be­leg­schaft ei­nen vor­he­ri­gen Co­ro­na-Schnell­test an, zu dem der Fah­rer nicht be­reit war. An­fang Ju­ni 2021 gab es da­her Dis­kus­sio­nen zwi­schen den Ver­tre­tern des Ta­xi-Un­ter­neh­mens und dem Fah­rer, der meh­re­re Ta­ge lang nicht fah­ren durf­te und schließ­lich ge­kün­digt wur­de. Die Kün­di­gungs­schutz­kla­ge des Fah­rers hat­te vor dem Ar­beits­ge­richt Ham­burg Er­folg. Denn der Ar­beit­ge­ber be­rief sich auf ver­hal­tens­be­ding­te Grün­de, hat­te den Fah­rer aber vor Aus­spruch der Kün­di­gung nicht ab­ge­mahnt.


Kollision im Kreisverkehr (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2016, 1 U 195/14)
Nähern sich zwei Kraftfahrzeuge aus verschiedenen Richtungen einem Kreisverkehr und besteht bei der Einfahrt die Gefahr, dass sich im Kreisel ihre Bewegungslinien berühren oder gefährlich annähern, hat derjenige Fahrer Vorfahrt, der als Erster die Wartelinie erreicht und damit die Gelegenheit hat, als Erster in den Kreisverkehr einzufahren. Es kommt daher nicht darauf an, wer bereits die längere Strecke im Kreisverkehr zurückgelegt hat, wenn es zu einer Kollision der Fahrzeuge kommt. Überfährt der Vorfahrtsberechtigte jedoch die Mittelinsel des Kreisverkehrs mit unangepasster Geschwindigkeit, um den Kreisverkehr vor dem wartepflichtigen Pkw wieder verlassen zu können, und kommt es in unmittelbarem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit diesem verkehrswidrigen Verhalten zu einem Zusammenstoß der Fahrzeuge, trifft den zuerst in den Kreisverkehr Einfahrenden ein überwiegendes Verschulden in Höhe von 90 Prozent.

 

Sozialrecht

Hohe Hürden für unbefristeten Schwerbehindertenausweis (LSG Thüringen, Urteil vom 25.11.2021, L 5 SB 1259/19)

 

Schwerbehinderte können auch bei einer voraussichtlich unumkehrbaren Behinderung keinen unbefristeten Schwerbehindertenausweis beanspruchen. Dies entschied das Thüringische Landessozialgericht (LSG) in Erfurt in einem am Donnerstag, 25. November 2021, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 5 SB 1259/19). Es wies damit einen gehörlosen Mann ab. Bei dem gehörlosen Kläger wurde ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt. Sein Schwerbehindertenausweis war allerdings auf fünf Jahre befristet. Er beantragte daraufhin einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis. Seine Gehörlosigkeit sei ja unumkehrbar.

Die zuständige Behörde lehnte den Antrag mit Verweis auf die Bestimmungen im Sozialgesetzbuch IX ab.
Auch vor dem LSG hatte die Klage keinen Erfolg. Nach den gesetzlichen Regelungen „soll“ die Gültigkeitsdauer des Ausweises befristet werden. Ein unbefristeter Ausweis „soll“ danach die Ausnahme bleiben. Ein solcher Ausnahmefall liege aber nicht schon dann vor, wenn eine Änderung des Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist, so die Erfurter Richter. Dies gelte auch für den Kläger. Der Aufwand für die Beantragung eines neuen Ausweises sei in der Regel nur gering.

Zwar habe der Kläger darauf verwiesen, dass in anderen Landkreisen in vergleichbaren Fällen ein unbefristeter Schwerbehindertenausweis ausgestellt werde. Eine rechtlich einklagbare Verpflichtung ergebe sich daraus aber nicht, auch wenn eine einheitliche Verwaltungspraxis wünschenswert wäre, so das LSG in seinem Urteil vom 14. Oktober 2021.
Doch selbst die unbefristete Erteilung eines Schwerbehindertenausweises muss nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. August 2015 nicht immer und ewig gelten (Az.: B 9 SB 2/15 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Wenn das Versorgungsamt fehlerhaft die Schwerbehinderteneigenschaft jahrzehntelang ungeprüft durchgewunken und zuletzt sogar unbefristet festgestellt hat, könne einem längst geheilten Betroffenen der Schwerbehindertenausweis für die Zukunft entzogen werden, so die Kasseler Richter im Fall eines früheren Tumorpatienten. Ein Vertrauensschutz auf einen Schwerbehindertenausweis für die Zukunft gebe es nicht.


Verkehrsrecht

VW-Dieselskandal
Der BGH hat in zwei Entscheidungen vom 30. Juli 2020 entschieden, dass bei der Rückabwicklung der Kaufverträge im Rahmen des Dieselskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Kaufpreis von VW nicht verzinst werden muss (Az.: VI ZR 354/19 und VI ZR 397/19). Die Nutzungsvorteile müssen sich die Käufer jedoch anrechnen lassen. Dies führte in einem der beiden Verfahren dazu, dass die Nutzungsvorteile den Schadensersatzanspruch vollständig aufgezehrt haben. Dies begegnete nach Auffassung des BGH jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In vielen Fällen dürfte dies aber dazu führen, dass die Käufer bei Annahme des in der Musterfeststellungsklage von VW angebotenen Vergleichs ein wirtschaftlich besseres Ergebnis als durch die Individualklage erzielt haben.

In einem weiteren Urteil (Az.: VI ZR 5/20) entschied der BGH über die Ansprüche eines Käufers, der einen VW Touran im August 2016 kaufte. Der BGH entschied hier zugunsten von VW. Aufgrund der medialen Dauerpräsenz des Dieselskandals durfte der Käufer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen, dass das Fahrzeug die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben erfüllte. Es sei bereits die Mitteilung von VW vom 22. September 2015 geeignet gewesen, dass Vertrauen der Käufer zu zerstören. Zudem wurde festgestellt, dass durch die Verhaltensänderung von VW keine Sittenwidrigkeit mehr vorlag, so dass es auf die Kenntnis der Käufer letztlich nicht mehr ankomme.

 





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